Beitragsserie „Waldgarten im Klimawandel“
Teil 3 – Bodenverbesserung
Ein Gastbeitrag von Ing. Matthias Jünger, MBA
Gründer von garden-shop.at
Abbildung 1: Humusaufbau im Waldgarten – Jungpflanze wächst aus lebendiger Erde. Foto: iStock | Foto-ID: 1484163174 (2023)
Warum ist ein lebendiger Boden im Waldgarten so entscheidend?
„Letzten Herbst hab‘ ich mit dem Spaten in ein Beet gestochen – und plötzlich hat’s geknackt. Kein Stein, kein Wurzelholz. Der Boden war hart, trocken, leblos. Kein Regenwurm, kein Pilzgeflecht, nichts. Ich erinnere mich noch genau, wie ich dachte: Irgendwas läuft hier gewaltig schief.“
So fing mein Umdenken an. Ich hatte jahrelang gegärtnert, gegossen, gepflanzt – aber den Boden, diesen unsichtbaren Motor unter all dem Grün, irgendwie nie wirklich beachtet. Erst mit dem Aufbau meines Waldgartens, und unter dem Eindruck des sich wandelnden Klimas, wurde mir klar: Ein gesunder Boden ist nicht nur Grundlage für Wachstum – er ist unser Verbündeter gegen Dürre, Erosion und Nährstoffverlust.
In dieser dritten Folge der Serie „Waldgarten im Klimawandel“ geht es deshalb um das, was unter der Oberfläche passiert: Humusaufbau, Mulchen und die Zusammenarbeit mit Mikroorganismen. Ich nehme dich mit in meine Erfahrungen rund um Bodenpflege – von ersten Kompostversuchen über Mykorrhiza-Experimente bis hin zu den kleinen Aha-Momenten, wenn der Boden plötzlich wieder lebt, atmet, duftet. Und ja: Wenn sogar der Regenwurm zurückkommt.
Was ist Humus eigentlich – und warum brauchen Waldgärten mehr davon?
Ich erinnere mich noch gut an meine erste „Humus-Recherche“. Ich dachte, das sei einfach gut verrotteter Kompost. Punkt. Bis ich dann auf einer Tagung mal jemanden sagen hörte: „Humus ist keine Substanz – er ist eine Funktion.“ Klingt erstmal esoterisch, oder? Aber der Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen. Denn was da unter unseren Füßen passiert, ist ein hochkomplexer Prozess – und kein stiller Zustand. Humus entsteht durch das Zusammenspiel von Mikroorganismen, Bodenlebewesen, Pflanzenwurzeln und organischem Material. Und: Humus lebt. Oder besser gesagt – er ermöglicht Leben.
Im Waldgarten ist Humusaufbau nicht irgendeine nette Begleiterscheinung. Er ist die Grundlage dafür, dass dein Garten langfristig produktiv bleibt – auch wenn der Sommer mal wieder heißer, trockener oder wilder wird, als geplant. Humus speichert Wasser wie ein Schwamm, puffert pH-Werte, bindet CO2 und verbessert die Krümelstruktur des Bodens. Dadurch können Pflanzenwurzeln tiefer wachsen, Mikroorganismen sich entfalten, Nährstoffe besser zirkulieren – und deine Pflanzengemeinschaften werden insgesamt widerstandsfähiger. Und das Beste daran: Humus entsteht kostenlos. Aus Laub, Küchenabfällen, Wurzelresten und der Geduld, die Natur einfach mal machen zu lassen.
Ich habe irgendwann angefangen, meine eigene Aussaaterde herzustellen – eine Mischung aus reifem Kompost, gesiebtem Waldboden und einem Schuss Wurmhumus. Das Ergebnis? Keimlinge, die kräftiger waren als alles, was ich vorher aus gekauften Tüten gezogen hatte.
Mulchen wie die Natur – warum ein nackter Boden ein Warnsignal ist
Früher war mein Garten ordentlich. Beete sauber geharkt, Wege schön frei, kein Fitzelchen Laub zu sehen. Und dann kam der Juli. Die Sonne brannte, der Boden riss auf, und die Pflanzen warfen ihre Blätter ab, als wäre es Oktober. Erst da dämmerte mir: Ein blanker Boden ist wie ein Mensch ohne Haut. Er verliert Wasser, wird verletzlich, und alles, was ihn lebendig macht, stirbt ab. Seitdem mulche ich – und zwar fast überall.
Mulchen ist im Grunde nichts anderes als ein schützender Mantel für den Boden. Ob Rasenschnitt, Laub, Holzhäcksel oder Stroh – Hauptsache, es liegt was drauf. Diese organische Decke hält die Feuchtigkeit, schützt vor Erosion und füttert gleichzeitig die Bodenlebewesen. Besonders wertvoll finde ich Kombinationen: Grobes Material unten, feineres oben. Und ja, auch ich habe Fehler gemacht – etwa zu dicke Schichten, falsches Material, oder viel zu früh im Jahr. Aber jeder Rückschlag hat mir gezeigt, wie sehr sich der Boden über eine natürliche Abdeckung freut.
Mulch allein ist aber nicht alles. Entscheidend ist, wie du ihn einsetzt – und was darunter passiert. Gute Hinweise dazu gibt z. B. der NABU mit seinen Komposttipps für den Hausgarten. Da geht es nicht nur ums Mulchen, sondern auch darum, wie aus Gartenabfällen fruchtbare Bodenverbesserer werden. Und genau darum geht’s am Ende: den Kreislauf verstehen – und mitarbeiten. Nicht gegen die Natur, sondern mit ihr. Wenn du das schaffst, verändert sich nicht nur dein Boden – sondern dein ganzes Denken über Gartenarbeit.
Kompost, Wurmhumus und Bokashi – wie ich meinen Boden lebendig mache
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Kompostversuch. Ein wackeliger Holzverschlag hinter dem Gartenhaus, alles reingeworfen, was irgendwie „grün“ war – und dann gewartet. Und gewartet. Und irgendwann… hat es gestunken. Der Haufen war zu nass, zu fett, zu wenig durchmischt. Aber ich habe gelernt: Kompostieren ist kein Müllentsorgen, sondern eine Kunst. Es geht darum, den Boden zu füttern – nicht nur zu füllen. Heute ist mein Kompost das Herz meines Gartens. Trockenes und feuchtes Material, regelmäßig umsetzen, Geduld – und siehe da: ein feinkrümeliger Humus, der nach Wald riecht.
Abbildung 2: Regenwürmer bei der Arbeit. Foto: iStock | Foto-ID: 1304665678 (2021)
Noch spannender wurde es, als ich Wurmkompost ausprobiert habe. Eine kleine Wurmkiste in der Garage, gefüttert mit Kaffeesatz, Eierschalen und Gemüseabfällen. Anfangs war ich skeptisch – kann das wirklich funktionieren? Es kann! Die Würmer sind wahre Transformationskünstler. Aus Küchenresten wird innerhalb weniger Wochen ein unglaublich nährstoffreicher Wurmhumus, den ich vor allem bei Jungpflanzen einsetze. Wer sich für so ein System interessiert, findet eine gute Auswahl an Wurmkompostern und weiterführenden Infos bei spezialisierten Shops.
Und dann gibt’s da noch Bokashi – eine fermentierte Form der Kompostierung, die vor allem in kleinen Haushalten funktioniert. Ich habe das mal ein Jahr lang ausprobiert. Zwei Eimer mit Deckel, jede Woche Essensreste reinschichten, EM-Lösung drüber, Deckel zu. Nach ein paar Wochen entsteht ein saurer Vor-Kompost, den ich dann im Garten vergrabe. Zugegeben: Man muss ein bisschen Geduld mitbringen, und manchmal riecht’s wie Sauerkraut. Aber die Wirkung im Boden ist beeindruckend – besonders in sandigen oder nährstoffarmen Bereichen. Für mich ist klar: Ob Kompost, Wurmhumus oder Bokashi – jeder dieser Wege bringt Leben zurück in den Boden. Und genau das ist es, was unser Waldgarten heute braucht.
Unsichtbare Helfer – Mykorrhiza, Bakterien & Co. im Team mit deinen Pflanzen
Man sieht sie nicht. Man riecht sie nicht. Aber wenn sie fehlen, spürt man es überall im Garten. Ich spreche von den Mikroorganismen – Pilzen, Bakterien, Einzellern, die unter der Erde das wahre Leben in Gang bringen. Besonders fasziniert hat mich das Thema Mykorrhiza. Diese Pilze verbinden sich mit den Pflanzenwurzeln und helfen bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme. Im Gegenzug bekommen sie Zucker aus der Photosynthese. Eine Win-win-Symbiose, wie sie im Lehrbuch steht. Ich habe irgendwann begonnen, bei Neupflanzungen bewusst auf Mykorrhiza zu setzen – als Granulat im Pflanzloch oder über speziellen Wurzelkontakt. Und ich schwöre: Die Pflanzen wachsen ruhiger, tiefer, stabiler. Es ist, als würde man ihnen ein unterirdisches WLAN schenken – mit optimaler Daten- und Nährstoffverbindung.
Neben den Pilzen sind auch stickstofffixierende Bakterien absolute Goldstücke im Boden. Besonders bei Leguminosen wie Lupinen oder Erbsen sorgen sie dafür, dass Luftstickstoff gebunden und nutzbar gemacht wird – ein unsichtbarer Dünger, direkt aus der Luft. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass man solche Prozesse nicht „herstellen“ kann – man muss sie ermöglichen. Keine chemischen Eingriffe, keine übertriebene Ordnung, keine sterilen Böden. Stattdessen: Vielfalt, organisches Material, ein bisschen Geduld – und Vertrauen in die Kraft der Mikroben. Denn was unter der Oberfläche passiert, entscheidet, wie lebendig es darüber wird.
Video 1: UNESCO-Biosphärenreservat Rhön, Klimaanpassung in der Landwirtschaft: Vortrag zu Humusaufbau und Humuszertifikaten (Youtube, 2021)
Wandel beginnt im Boden – und mit uns
Wenn ich heute durch meinen Garten gehe, schaue ich anders hin. Nicht nur auf das, was wächst, sondern auf das, was möglich ist – unter der Oberfläche. Der Boden, den ich früher für selbstverständlich hielt, ist inzwischen mein wertvollster Verbündeter. Er speichert Wasser, füttert meine Pflanzen, schützt vor Extremwetter – aber nur, wenn ich ihm die Chance gebe, lebendig zu bleiben. Humus, Mulch, Mikroorganismen: Das sind keine Nebenthemen, das ist die Grundlage für jeden klimaresilienten Waldgarten. Und das Schöne ist: Wir brauchen keine großen Maschinen, keine synthetischen Mittel, keine High-Tech. Nur Achtsamkeit. Und manchmal: den Mut, nichts zu tun.
Wenn du also das nächste Mal im Garten stehst, schau dir den Boden an. Ist er bedeckt? Riecht er nach Wald? Krabbelt da was? Dann bist du auf dem richtigen Weg. Und falls nicht: Fang klein an. Eine Mulchdecke hier, ein Komposteimer dort, ein bisschen mehr Leben unter deinen Füßen. Teile gerne deine Erfahrungen – was hat bei dir funktioniert? Was lief schief? Gemeinsam können wir ein Netzwerk lebendiger Gärten schaffen, das nicht nur der Natur hilft, sondern auch uns selbst. Denn Bodenpflege ist keine Aufgabe für andere. Sie beginnt bei uns. Und sie beginnt jetzt.
Quellen:
- UNESCO Rhön: Klimaanpassung in der Landwirtschaft – Humusaufbau und Humuszertifikate,
https://www.youtube.com/watch?v=PUvFJ-uiTLE - Bio – Aussaaterde selbst herstellen
https://humusoptimus.de/humus/aussaaterde-selbst-herstellen/2025/01/30/ - NABU: So wird aus Abfall Kompost
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/pflege/duengung/24146.html - Pinzler, P., & Schmitt, S. (2023, 20. September). Mutterboden: Wie lässt sich Boden heilen? ZEIT ONLINE.
https://www.zeit.de/wissen/2023-09/mutterboden-landwirtschaft-klimawandel-benedikt-boesel-krisenpodcast - GEO Redaktion. (2005). Bodenkunde: Der Zoo im Erdgeschoss. GEO.
https://www.geo.de/natur/oekologie/bodenkunde-der-zoo-im-erdgeschoss-30195032.html - ZEIT ONLINE. (2024, 5. Dezember). Thünen-Institut: Waldboden ist „Boden des Jahres 2024“. ZEIT ONLINE.
https://www.zeit.de/wissen/2023-12/wald-boden-des-jahres-2024-klimakrise - Wikipedia-Autoren. (2023, 15. März). Mulchen. Wikipedia.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mulchen
Zur Person
Ing. Matthias Jünger, MBA, betreibt die Plattform Garden-Shop.at und verbindet damit seine Leidenschaft für nachhaltiges Gärtnern mit fundiertem Wissen über Permakultur und Waldgärten. Als begeisterter Hobbygärtner experimentiert er gerne mit klimaresilienten Anbaumethoden, Bodenverbesserung und effizientem Wassermanagement.
Durch seinen Online-Shop für Gartenbedarf hat er direkten Kontakt zu den Herausforderungen, mit denen Gärtner heute konfrontiert sind – von Trockenperioden bis hin zu nachhaltigen Anbaulösungen. Sein Ziel: Praxiserprobte Strategien und hochwertiges Equipment für eine zukunftsfähige Gartenkultur zugänglich machen.
Mit seinem Fachwissen teilt er in diesem Artikel bewährte Methoden und Inspiration, um Waldgärten optimal an den Klimawandel anzupassen – für resiliente, produktive und nachhaltige Ökosysteme.
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